 
Warum Sie jetzt ändern müssen, wie Sie mit den Bürgern kommunizieren
Gut möglich, dass Sie sich jetzt fragen: Brauchen wir das denn wirklich?
 Und sehr wahrscheinlich lautet die Antwort auf die meisten dieser 
Fragen am Ende: nein. Aber sie illustrieren gut, wie sehr sich die 
Möglichkeiten, schnell eine große Anzahl von Bürgerinnen und Bürgern zu 
erreichen, in den vergangenen Jahren vervielfacht haben. Klar ist: Es 
wird neue Strategien im Umgang mit diesen Technologien brauchen, um die 
Bürger als Kommune und Kommunalpolitik zu erreichen. Denn die Art, wie 
wir untereinander kommunizieren, verändert sich gerade massiv – massiver
 als seit Jahrhunderten. Das Jubiläum, das diese Festschrift feiern 
soll, kann ein willkommener Anlass sein, zu hinterfragen, ob Sie als 
Gemeindefunktionäre und -politiker sich diese neuen Technologien zunutze
 machen können – oder ob Sie es nicht sogar müssen. Lassen Sie mich dazu
 kurz ausholen und ein paar hundert Jahre in der Vergangenheit beginnen –
 bei der Erfindung des Buchdrucks.
Das Ende der Gutenberg-Klammer
Für uns Journalisten und viele andere, deren täglich Brot die 
Kommunikation ist, ist das, was der dänische Literaturwissenschafter Tom
 Pettitt als „das Ende der Gutenberg-Klammer“ bezeichnet hat, in den 
letzten Jahren harte Realität geworden. Diese „Gutenberg-Klammer“ oder 
„Gutenberg-Parenthesis“, das sind die vergangenen 500 Jahre, in denen 
Wissen auf der Basis geschriebener oder gedruckter Informationen 
entstanden ist – im Gegensatz zu den Jahrtausenden davor, in denen der 
Erkenntnisgewinn der Menschheit meist auf mündlicher Überlieferung 
basiert hat. Anders gesagt: Wo die Menschen bis ins Mittelalter durch 
Erzählungen über das, was in der Welt so passiert, lernten – von ihren 
Eltern, von Freunden, fahrenden Händlern, Sängern oder Theatergruppen –,
 gab es dank der Erfindung Herrn Gutenbergs Ende des 15. Jahrhunderts 
plötzlich zum ersten Mal in der Geschichte die Möglichkeit, Wissen auch 
für die Masse der Menschen zu kodifizieren und zu vervielfältigen. Die 
Folge: Institutionen wie Lehrbücher und Zeitungen, Gesetzessammlungen 
oder Bürgermeisterbriefe haben in den vergangenen Jahrhunderten 
Informationen institutionalisiert: Wenn ich wissen wollte, was in der 
Welt so vorgeht, war ich nicht mehr darauf angewiesen, dass fahrendes 
Volk in meiner Ortschaft vorbeikommt und mir (mehr oder weniger 
zuverlässige) Geschichten aus Stadt und Land erzählt – es gab Zeitungen,
 die dieses Wissen zentral sammelten und verteilten. Ich musste mich 
hinsichtlich meiner Rechte nicht mehr darauf verlassen, dass die lokalen
 Gesetzeshüter sich schon richtig verhalten würden, ich konnte mich auf 
niedergeschriebene Gesetzessammlungen stützen. Und auch die lokale 
Politik wurde transparenter: Beliebig vervielfältigbare Ratsprotokolle 
machten die Ausübung von Macht und Staatsgewalt bis hinunter in kleine 
Ortschaften für jeden nachvollziehbar, der des Lesens mächtig war.
Es ist praktisch unmöglich, Gutenbergs Einfluss auf diese Gesellschaft 
zu unterschätzen. Aber es gibt Anzeichen, dass das Zeitalter des zentral
 kodifizierten Wissens, das mit dem Buchdruck begonnen hat, sich seinem 
Ende zuneigt. Jetzt ist es zwar natürlich nicht so, dass uns die Technik
 oder die Möglichkeit dafür abhandengekommen wäre, Informationen auf 
Papier zu drucken und breit zu verteilen – im Gegenteil, sowohl Druck 
als auch Verteilung sind so einfach und billig wie nie zu 
bewerkstelligen. Vielleicht ist genau das, die Inflation an 
Institutionen, die uns brieflich informieren wollen und können, die 
unter anderem dazu beiträgt, dass das Vertrauen in diese Institutionen 
schwindet – und das „word of mouth“ als Informationsquelle immer 
wichtiger wird. Allerdings nicht als „gesprochenes Wort“ im eigentlichen
 Sinne, sondern insofern, als die Bedeutung eines Netzwerks anderer 
Menschen als Informationsquelle wieder wichtiger zu werden scheint – 
während jene professioneller Informationslieferanten, also zum Beispiel 
von Zeitungen, schwindet.
Jeder hat ein potenzielles Millionenpublikum
Die Ursachen für diese Entwicklung sind vielfältig – aber was wir immer 
deutlicher sehen, ist ihr Katalysator: Die modernen Technologien der 
„Social Media“, für die Facebook so exemplarisch steht. Es würde den 
Rahmen dieses Textes sprengen, ins Detail zu gehen, aber das Grundgerüst
 der „sozialen Medien“ ist immer das gleiche: Es handelt sich um 
digitale Plattformen, die Kommunikation zwischen Menschen über alle 
Distanzen hinweg zu einem Kinderspiel machen: Über alle digitalen Geräte
 vom Desktop-PC bis zum Smartphone können Menschen einander über alle 
Distanzen hinweg unterhalten – oder sie können Inhalte (Texte, Bilder, 
Videos) so online stellen, dass sie entweder jedermann oder ein 
eingeschränkter Personenkreis (zum Beispiel die „Freunde“, die man sich 
online gemacht hat) sehen kann. Beim reichweitenstärksten sozialen 
Medium, Facebook, entscheidet im Hintergrund ein – nur den Entwicklern 
bekannter – Algorithmus, was genau ein Nutzer zu Gesicht bekommt, wobei 
zum Beispiel Beiträge besser gereiht werden, die andere User „liken“. 
Insgesamt berücksichtigt dieser Algorithmus in Summe 200 Faktoren, um zu
 entscheiden, was für jeden User interessant sein könnte – eine Methode,
 die inzwischen so gut funktioniert, dass die Plattform weltweit rund 
1,7 Milliarden Benutzer verzeichnet.
Der Effekt: Jeder – Sie, ich, Ihr Nachbar und sein Hund – hat potenziell
 ein Millionenpublikum. Ein Post, der „viral geht“, sich also dank 
Algorithmus und/oder Teilung durch andere User rasend schnell 
verbreitet, kann binnen Stunden hunderttausenden Menschen in der ganzen 
Welt angezeigt werden. Und das ist der Unterschied zwischen den 
klassischen Medien – die, daher ihr Name, ja eine Mittlerrolle zwischen 
Sender und Empfänger eingenommen haben – und den Sozialen Medien: in 
ihnen werden Informationen wieder direkt transportiert, vom Sender zum 
Empfänger, ohne Filterung oder redaktionelle Bearbeitung. Information 
wird von vielen Menschen dezentral auf viele Menschen verteilt – und 
weil die Benutzer hier Informationen direkt von Menschen bekommen, denen
 sie Vertrauen beimessen, stufen sie sie in Umfragen immer wieder als 
vertrauenswürdiger ein als jene von klassischen Medien und anderen 
Institutionen: das Ende der Gutenberg-Klammer.
Die Sozialen Medien selbst haben sich ebenfalls „viral“ verbreitet: 
Alleine in Österreich verzeichnet die Statistikseite „Social Media 
Radar“ zufolge Facebook alleine 3,7 Millionen User, Tendenz noch immer 
steigend. Lassen Sie sich das auf der Zunge zergehen: Beinahe jeder 
zweite Österreicher hat inzwischen eine Präsenz auf Facebook. Niemand, 
der heutzutage mit Kommunikation arbeitet, kommt an dieser massiven 
Präsenz vorbei: Eine Zeitung, die ihre Geschichten nicht auf Facebook 
präsentiert, hat einen massiven Nachteil gegenüber der Konkurrenz, die 
über ihre Fans und kluge „Bespielung“ dieses Kanals zigtausende Leser zu
 ihren Geschichten lotst. Dasselbe gilt für Unternehmen, Künstler und 
ja, genauso für die Politik.
Auf Bundesebene haben die Koalitionsparteien erst nach und nach erkannt,
 dass ihnen dadurch ein gewaltiger Nachteil erwachsen ist, diesen 
Kommunikationskanal jahrelang den Oppositionsparteien – und dort vor 
allem FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache – überlassen zu haben. Der hat 
inzwischen mehr als 400.000 „Fans“ auf Facebook und kann so seine 
Botschaften unters Volk bringen, ohne auf die traditionellen Medien – 
Zeitungen, Fernsehen und Radio samt ihren Onlineportalen – angewiesen zu
 sein. Hunderttausende zu erreichen, ohne von Journalisten kritisch 
gefiltert zu werden, und dazu wenig mehr als einen Computer oder ein 
Smartphone zu brauchen: das ist ein Paradigmenwechsel auch in der 
politischen Kommunikation. In den kommenden Monaten und Jahren wird sich
 dieser Trend nur noch verstärken: Es ist inzwischen so ein effizientes 
Mittel, massenhaft Menschen zu erreichen, dass eine Renaissance der 
professionellen Parteimedien unabdingbar erscheint. Nur dass die 
Mitarbeiter dort eher Kanäle auf Facebook, YouTube, Instagram und weiß 
Gott wo noch bespielen werden, statt eine Zeitung zu füllen, zu drucken 
und dann unter großem Aufwand zu versenden.
Soweit die Großwetterlage – aber wo steht jetzt die Gemeindepolitik in 
diesem Umbruch? Nun, eine zentrale Statistik, wie viele Gemeinden, 
geschweige denn Ortsparteien, in den Sozialen Medien präsent sind, gibt 
es nicht – die Erfahrung zeigt aber, dass die genannten Entwicklungen, 
die sich auf den höchsten politischen Ebenen abzeichnen, in den 
Gemeinden tendenziell noch nicht angekommen sind.
Selbst wenn man jetzt voraussetzen würde, dass Nutzer solcher 
Technologien eher in Städten leben – wofür es datenmäßig wenig Indizien 
gibt – scheint das eine versäumte Chance zu sein: Die Bedeutung der 
digitalen Kommunikationskanäle wird in den kommenden Jahren noch 
zunehmen – auch im ländlichen Raum, wohin Breitband und LTE-Verbindungen
 dank konsequenten Ausbaus immer weiter vordringen –, und wer sich schon
 jetzt darum kümmert, hier eine Präsenz aufzubauen, wird über die 
nächsten Jahrzehnte einen Startvorteil genießen.
Thesen zu Chancen und Herausforderungen
Man kann annehmen, wie Gemeindepolitik – und vor allem ihre 
Kommunikation – in den kommenden Jahren funktionieren wird. Hier vier 
Thesen, welche Chancen und welche Herausforderungen sich aus diesen 
Umwälzungen ergeben werden:
- Der direkte Draht zum Bürger: Wenn Sie 
bisher eine große Zahl an Bürgern mit einer Information oder einer 
politischen Botschaft erreichen wollten, hatten Sie dazu nur aufwendige 
und/oder ungenaue Möglichkeiten: Sie konnten Funktionäre ganz klassisch 
„Klinkenputzen“ schicken oder Sie konnten eine Postwurfsendung an alle 
Haushalte verteilen lassen. Die digitalen Medien machen es viel 
einfacher, einen signifikanten Anteil der Bürger Ihrer Gemeinde zu 
erreichen: Facebook zum Beispiel kann Informationen gezielt an jene 
Leute verteilen, die als Wohnort eine bestimmte Gemeinde angegeben haben
 – und eine Werbeeinschaltung einer Ortspartei etwa nur Menschen aus 
diesem Ort zeigen. Über diese Kanäle können Gemeindepolitiker direkter 
und ohne großen Aufwand mit Bürgern kommunizieren, die sonst nur 
schwierig zu erreichen gewesen wären. Die Kehrseite: Üblicherweise ist 
der Kontakt via Sozialer Medien zweiseitig – das heißt, wenn jemand den 
Beitrag eines Politikers auf Facebook sieht, kann er sofort einen 
Kommentar dazu abgeben – und wird darauf eine Antwort erwarten. Bei 
kontroversen Themen kann diese Kommunikation schnell zeitintensiv und 
emotional werden – aber das ist in der Gemeindepolitik ja nichts Neues.
 Diesen direkten Zugang können natürlich nicht nur die politischen Parteien nutzen, sondern auch die Gemeinden an sich – wenn etwa Tourismusorte an Marketing- oder Imagekampagnen basteln, können sie per Sozialer Medien gezielt Gästegruppen ansprechen, Bilder aus dem Ort unters Volk bringen oder generell Bekanntheit erzeugen.
- Der Aufstieg der Bürgergesellschaft: Wie gesagt: Massenweise Kommunikation ist nicht länger ein Privileg von Institutionen – Gemeinden und Gemeindepolitiker sollten sich darauf einstellen, dass Bürger zunehmend auch lokalpolitische Anliegen über die Sozialen Medien geltend machen. Die Lärmbelastung durch den Bauhof, der Protest gegen eine neue Straße, die Öffnungszeiten der Gemeindebibliothek, die Jause im Kindergarten – früher musste jemand, der solche Dinge thematisieren wollte, mühsam Gleichgesinnte suchen, in aller Regel über eine der Ortsparteien. Über die Sozialen Medien fällt dieser Prozess bedeutend einfacher, sowohl was die Leichtigkeit der Kommunikation als auch die Hemmschwelle angeht, politisch aktiv zu werden. Als aktive Politiker wird es Ihre Herausforderung sein, sich zu überlegen, wie Sie etwa mit einer hunderte Mitglieder zählenden Facebook-Gruppe umgehen, die die Ausweitung der Kleinkinderbetreuung oder andere Anliegen an die Gemeinde herantragen. Denn wenn Ihnen keine Antwort darauf einfällt, führt das zu einem:
- Das Ende der Volksparteien: Es gibt bereits mehr als genug Analysen, warum die österreichische Nachkriegsordnung – SPÖ-ÖVP und ein bisschen blau – vor ihrem Ende steht. Die neuen Kommunikationstechnologien sind dafür sicher nicht die Hauptursache, aber in den kommenden Jahren werden wir beobachten können, wie dank ihnen immer neue Gruppierungen die politische Bühne betreten werden. Auf Bundesebene haben zuletzt die Neos gezeigt, dass man mit einem auf die Sozialen Medien zugeschnittenen Wahlkampf ein breites Publikum mobilisieren kann. Das wird gerade die Gemeinden besonders betreffen, weil es anlässlich konkreter Probleme und Lösungen einfacher ist, Menschen zu mobilisieren. Erreicht eine Gruppe, die dazu eine Idee hat, eine kritische Masse, kann es sein, dass sie sich entschließt, bei einer Wahl anzutreten. Das allein war schon immer so – aber noch nie war es so einfach, dass sich Menschen anhand von Partikularinteressen vernetzen und zusammen planen, aktiv zu werden.
- (K)eine Chance für Populisten: Populisten, die für komplexe Probleme einfache, gut klingende „Lösungen“ anbieten, genießen in den Sozialen Medien einen Startvorteil – weil viele Nutzer lieber Botschaften weitertragen, die Herz und Magen ansprechen, als komplizierte Erörterungen mit langwierigen Lösungsansätzen. Gerade auf Gemeindeebene haben die Lauten mit wenig Substanz aber – wie immer schon – schlechtere Karten: Wo man die Leute, über die man schimpft, Tag für Tag persönlich trifft und direkt auf seine Slogans angesprochen wird, besteht eine natürliche Hemmung, in den Formulierungen aufs Äußerste zu gehen. Dazu kommt, dass die Gemeindepolitik – bei all ihrer Komplexität – jene Ebene ist, bei der Themen vergleichsweise nachvollziehbar sind: Warum eine Brücke erneuert, ein bestimmter Verein gefördert oder die Kanalgebühr erhöht werden muss, lässt sich sachlich in der Regel einfacher argumentieren, als ob die Republik einem tausende Seiten langen Handelsabkommen mit Kanada zustimmen soll oder nicht. Wenn man diese lösungs- bezogene Diskussion auf jene in den digitalen Medien erweitert, gibt es keinen Grund, warum die Populisten dort Oberwasser haben sollten.
Kommunikation ändert sich
Unterm Strich wird die Frage nicht sein, ob Gemeindepolitiker die 
Möglichkeiten der Sozialen Medien nutzen – mittelfristig wird einfach 
kein Weg daran vorbeiführen. Die Frage, die sich in den nächsten Monaten
 und Jahren stellen wird, wird eher sein, wie professionell und mit 
welchem Aufwand man in diese Kanäle einsteigt oder sie ausbaut. 
Natürlich kann man es mit minimalem Aufwand machen – und einfach die 
ohnehin vorbereiteten Postwurfsendungen hochladen. Erfahrungsgemäß wird 
das aber nicht reichen, um ein großes Publikum anzuziehen – weil es die 
dialogischen Möglichkeiten, die die Sozialen Medien bieten – also 
unmittelbar auf die Fragen und Wünsche der User einzugehen –, außer Acht
 lässt. Ein Fehler übrigens, wie ihn auch viele Zeitungen lange gemacht 
haben, die sich damit begnügten, 1:1-Kopien ihrer Artikel aus der 
gedruckten Zeitung ins Netz zu stellen, statt die vielfältigen 
Möglichkeiten dort zu nutzen.
Das heißt natürlich nicht, dass jede Ortspartei und jedes Gemeindeamt 
einen designierten Social-Media-Beauftragten braucht – gerade in der 
kommenden Zeit wird es noch notwendig sein, sowohl analoge als auch 
digitale Kanäle zu betreuen, um einen möglichst breiten Querschnitt der 
Bürger zu erreichen, also schwebt im Hintergrund immer die Frage, wie 
man die knappen Ressourcen (vor allem: Einsatz und Motivation der 
eigenen Funktionäre) am besten einsetzt. Aber zumindest ein wenig 
darüber nachzudenken, wen man über welchen Kanal erreichen kann und 
welches Potenzial die neuen Technologien im politischen Diskurs bergen, 
dazu ist es höchst an der Zeit.
 
 
 
 
 
